Die Ampel steht am Start und will den Fortschritt durch die Mitte. Bei Grün geht’s los. Das hört sich prima an und ist so konsensfähig, dass der zukünftigen Opposition kein wirklicher Gegenwind gelingt. Die CDU/CSU sorgt sich um den Haushalt, die AFD schwadroniert daher und die Linken sind natürlich enttäuscht, dass der Umbau in einen Umverteilungssozialismus nicht mal im Ansatz erkennbar ist. Rot mag noch so grell leuchten, es folgt gelb.
Mit einem Koalitionsvertrag von 178 Seiten lassen sich eine Vielzahl von konkreten Absichten regeln, die wohl auch notwendig sind, um einer Disziplinlosigkeit nach erfolgter Regierungsbildung einen Riegel vorzuschieben.
Naturgemäß haben wir uns in einer ersten Analyse mit den Steuerplänen der neuen Regierung beschäftigt. Allzu große Bedeutung wird diesen nicht beigemessen; sie befinden sich ziemlich weit hinten auf den Seiten 164 – 167.
Einen Paradigmenwechsel können wir nicht erkennen. Dies ist auch nicht verwunderlich, wenn der zukünftige Finanzminister vor der Wahl Steuererleichterungen in Aussicht gestellt hat und die beiden Koalitionspartner Steuerverschärfungen. Man mag es als gut oder schlecht empfinden, aber im Prinzip geht es so weiter wie bisher.
Es gibt ein paar positive Ansätze. Mit der sogenannten Superabschreibung sollen Investitionen für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter, die in den Jahren 2022 und 2023 angeschafft werden, gefördert werden. So wie man Anfang der 90er Jahre die neuen Bundesländer mit einer Fördergebietsabschreibung unterstützen wollte, sollen nunmehr für Digitalisierung und Klimaschutz Investitionsanreize geschaffen werden. Wie hoch die Superabschreibungen ausfallen werden, steht nicht im Vertrag, wir prognostizieren mal 50 %. Diese Maßnahme ist zweifelsfrei zu begrüßen, zumal sie den öffentlichen Haushalt nur temporär belastet, weil die Abschreibungen nach dem Anschaffungsjahr entsprechend geringer ausfallen.
Die Corona-bedingt verbesserten Verlustverrechnungen sollen dauerhaft verfestigt werden und der Verlustrücktrag auf zwei Jahre erweitert werden, entsprechend der bis 1998 geltenden Regelung. Auch das ist sicher begrüßenswert und könnte positiv betrachtet als Umdenken gewertet werden. Bisher sahen insbesondere die Vertreter der Finanzverwaltung in einer Verlustverrechnung keinen Ausdruck der Leistungsfähigkeit der Besteuerung, sondern eine großzügige Steuersubvention.
Bemerkenswert ist, dass das brandneue Optionsmodell, mit der Personengesellschaften sich wie Kapitalgesellschaften besteuern lassen können (siehe BPZ-Special 350 in dieser Ausgabe) und die Thesaurierungsbegünstigung für Personengesellschaften einer Praktikabilitätsprüfung unterzogen werden sollen. Bereits die gut gemeinte Thesaurierungsbegünstigung aus dem Jahr 2008 ist praktisch gescheitert, weil sie viel zu komplex geraten ist und mit einer insgesamt etwas höheren Steuerbelastung einherging. Auch das neue Optionsmodell hat bereits im Vorfeld viel Kritik erfahren, weil es in der Anwendung kompliziert ist und manche Folgewirkungen mittel- bzw. langfristig kaum beherrschbar erscheinen.
Dagegen wird einem etwas gruselig, wenn bei der ohnehin extrem komplizierten Grunderwerbsteuer den Ländern eine flexiblere Gestaltung zugestanden werden soll und im Gegenzug die steuerliche Erfassung von Share Deals (siehe BPZ-Special 344 aus 7/2021) eine erneute Verschärfung erfahren soll.
Zeitgemäß erscheint die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, der Midijob-Höchstgrenze auf 1.600 € und der Minijob-Höchstgrenze auf 520 €. Auch die Anhebung des Ausbildungsfreibetrags von 924 € auf 1.200 € und des Sparer-Pauschbetrags von 900 € auf 1.000 € (ab 2023) sind im Grundsatz begrüßenswert, auch wenn man diese aufgrund langjähriger Unveränderbarkeit als längst überfällig bezeichnen muss.
Auch die neue Regierung verspricht Steuervereinfachungen und Entbürokratisierung, die sich, man höre und staune, auch auf Betriebsprüfungen erstrecken soll. Nichts Neues, oder tut sich da doch etwas?
Die Ampel beabsichtigt eine zentrale Organisationseinheit auf Bundesebene einzurichten, die den digitalen Wandel fördern und für eine spürbare Verringerung der Steuerbürokratie sorgen soll. In diesem Zusammenhang wird auch von einem geplanten Steuerforschungsinstitut gesprochen. Das wäre dann mal etwas wirklich Neues, jedenfalls dann, wenn der ideologische Ansatz nicht in der allerletzten Steuergerechtigkeit besteht und profiskalische Interessen nachrangig sind. Das durch ein solches Institut zum Ausdruck kommende Misstrauen gegenüber dem Bundesministerium der Finanzen können wir jedenfalls gut nachvollziehen.
Wir dürfen gespannt sein, was da kommt und wünschen Ihnen eine angenehme Weihnachtszeit.
Ihr BPZ-Team
Inhaltsverzeichnis
- Termine Steuern/Sozialversicherung Dezember 2021
- Kosten bei Wegeunfall als Werbungskosten absetzbar
- Private Veräußerungen von Wirtschaftsgütern über Internetplattformen
- Echte Abfindung für den Verlust eines Arbeitsplatzes unterliegt der Lohnsteuer – Keine Wertguthabenfähigkeit
- Überhöhte Verzinsung eines Gesellschafterdarlehens – Verdeckte Gewinnausschüttung?
- Keine Steuerhinterziehung durch “Unterlassen” bei Kenntnis der Finanzbehörde von wesentlichen steuerlich relevanten Umständen
- Büro- und Organisations-Bonus bzw. Förderprovision unterliegen der Umsatzsteuerbefreiung für Vermittlungsleistungen
- Anordnung der Teilnahme eines Gemeindebediensteten an der Außenprüfung
- Bescheid bei falscher zeitlicher Zuordnung von Hinzuschätzungsbeträgen änderbar
- Sozialversicherungsrechengrößen 2022 beschlossen
- Anscheinsbeweis für Zugang eines Einwurfeinschreibens – Vorlage des Sendungsstatus nicht ausreichend