Die Wahlschlacht ist geschlagen für die nächste Legislaturperiode. Wie es aussieht, werden Grün und Gelb dabei sein, entweder unter Rot oder unter Schwarz. Für viele Unternehmen und Selbstständige ist das Wahlergebnis gleichwohl kein Grund, rot oder schwarz zu sehen.
BPZ AKTUELL Oktober 2021.pdf
Für die Mehrheit der Bevölkerung dürfte es beruhigend sein, dass die Parteien am rechten und am linken Rand Einbußen haben hinnehmen müssen und bei allem Streit ein Bekenntnis zur Mitte festgestellt werden kann. Die Furcht vieler Unternehmer vor massiven Steuererhöhungen sollte auch deutlich nachlassen.
Das Misstrauen einiger Unternehmer gegenüber der Steuergesetzgebung ist ohnehin schon recht groß und muss nicht erst durch Angst vor Sozialismus entfacht werden. Die große Koalition unter Führung der CDU hat es mit der Änderung des Außensteuergesetzes ab 01.01.2022 geschafft, dass viele Unternehmer noch in diesem Jahr einen Wohnsitzwechsel vornehmen wollen; bevorzugte Exportnationen sind die Schweiz und EU-Länder mit viel Sonnenschein.
Worum geht es? Besitzt ein in Deutschland wohnansässiger Unternehmer Anteile an einer Kapitalgesellschaft, zum Beispiel an einer ihm gehörenden GmbH, liegt das Besteuerungsrecht für einen etwaigen Veräußerungsgewinn in Deutschland. Wandert dieser Steuerpflichtige nach Südfrankreich aus, wechselt das Besteuerungsrecht nach Frankreich. Es ist sicher legitim, dass der deutsche Staat Anspruch auf die bis zur Auswanderung erreichte Wertsteigerung der GmbH-Anteile erhebt. Problematisch ist, dass der Auswanderungswillige eine erhebliche Steuerbelastung tragen muss, obwohl ihm mangels Verkauf keinerlei Liquidität zufließt.
Diese grundsätzliche Regelung steht in Konflikt mit der Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU/EWR und CH assoziiert. Der deutsche Gesetzgeber hat hierfür eine pfiffige und gerechte Lösung finden können. Der Steuerpflichtige bekommt einen Steuerbescheid mit der entsprechenden Steuerbelastung auf den fiktiven Verkauf der Anteile, muss dieses Ticket aber erst dann bezahlen, wenn er im Ausland befindlich die Anteile tatsächlich veräußert. Ist der Verkaufspreis niedriger, vermindert sich die Zahllast auf den tatsächlichen Wert. Somit war auch die Gefahr gebannt, einen hohen Veräußerungsgewinn besteuert zu haben, obwohl die Anteile später wertlos geworden sind. Passt alles, denn als Inländer hätte der Unternehmer auch immer nur den tatsächlichen Veräußerungsgewinn versteuern müssen.
Diese Praxis hat gut funktioniert. Der Staat hat in Abhängigkeit von der tatsächlichen Veräußerung seine berechtigten Steuereinnahmen gesichert und der Steuerpflichtige muss erst bezahlen, wenn er tatsächlich einen Veräußerungsgewinn erzielt und ihm Liquidität zufließt. Auch die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU ist nicht ernsthaft durch hohe Steuerbelastungen beeinträchtigt.
Von dieser Regelung verabschiedet sich Deutschland ab dem 01.01.2022. Nunmehr greift der Staat mit dem Wegzug ins Ausland erbarmungslos zu und gewährt lediglich eine Stundung über sieben Jahre, allerdings dies auch nur gegen Sicherheitsleistung. Damit wird ein weiterer Baustein der vom deutschen Gesetzgeber so beliebten Strategie, Scheingewinne zu besteuern, manifestiert.
Stellt das für den Staat eine nennenswerte zusätzliche Einnahme dar? Wohl kaum. Was für den Einzelnen eine beträchtliche Summe darstellt, ist für den Staatshaushalt kaum spürbar. Etliche steuerrechtliche Autoren vertreten nachvollziehbar die Auffassung, dass die Gesetzesänderung unionsrechtswidrig sei. War die Autobahn-Mautgebühr nur für Ausländer Vorbild für diese Regelung? Wer seinen Lebensmittelpunkt innerhalb der EU verlegt, soll bestraft werden?
So wundert es nicht, dass derzeit viele, vor allem ältere Unternehmer noch dieses Jahr ihren Lebensmittelpunkt in das Ausland verlegen wollen. Womit sich die erwarteten Steuermehreinnahmen selbst kannibalisieren. Weitere negative Folgen sind der Verlust von Einkommensteuereinnahmen und auch Umsatzsteuer, weil diese „Reichen“ ihr Geld bevorzugt in ihrer neuen Heimat ausgeben werden.
Möglicherweise ist die Gefahr ungerechter Steuerbelastungen durch Rot und/oder Grün geringer als die durch die Ministerialbürokratie.
Über Einzelheiten der Wegzugsbesteuerung informieren wir Sie in der November-Ausgabe. Dort zeigen wir auch Möglichkeiten auf, wie die Steuerbelastungen nach neuem Recht vermieden werden können, wenn man dieses Jahr kein Steuerasyl innerhalb der EU verwirklichen kann.
Bleiben Sie zuversichtlich für die spannende Phase der neuen Regierungsbildung.
Ihr BPZ-Team
Inhaltsverzeichnis
- Termine Steuern/Sozialversicherung Oktober/November 2021
- Gewinne aus der Veräußerung von Gold ETF-Fondsanteilen
- Bei berufsbedingtem Umzug erkennt Finanzamt höhere Pauschalen an
- Bareinzahlungen als steuerpflichtige Einnahmen im Wege der Schätzung
- Neue Regeln durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes
- Arbeitslohn durch Übertragung einer Versorgungszusage auf einen Pensionsfonds
- Private Nutzung des Diensttelefons lohnsteuerpflichtig?
- Zur Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers nach “GDPdU” zur Betriebsprüfung