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Durchhaltewillen ist gefragt. V+V (Virologen und Volkswirte) sind sich einig, dass mit einer beschleunigten Durchimpfung der Bevölkerung im Spätsommer diesen Jahres Corona zwar nicht erledigt ist, aber ein halbwegs normales Leben und Arbeiten ermöglicht wird.

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Hoffentlich lässt die deutsche Politik und die deutsche Verwaltung die unternehmerische und organisatorische Kreativität zu, damit möglichst schnell genügend Impfstoff besorgt und verabreicht werden kann. Eine der größten Gefährdungspotenziale dieser Ziele besteht in der Bürokratie, typisch deutsch ist man geneigt zu sagen. Alles muss genauestens geregelt werden und bei jeder Abweichung von der Norm werden Schuldige gesucht, die angeprangert oder bestraft werden sollen.

Warum dürfen Arztpraxen nicht generell impfen, sondern erst ab dem Tage X, wenn eine wie auch immer geartete Impfstoffzuteilung erfolgt? Müssen die Bürger durch Impfzentren geschleust werden, deren Kosten um ein Mehrfaches höher sind als die des Hausarztes? Der auch noch über den Vorteil verfügt, seine Patienten zu kennen? Ist es wirklich nötig einen Wust von Formularen unterschreiben zu lassen, weil wir uns auch in einer Pandemie, wo es im Zweifel um Leben und Tod geht, nicht von den bürokratischen Erfordernissen der DSGVO befristet lossagen können?

Das System funktioniert einigermaßen, nicht, weil es so buchstabengetreu organisiert ist, sondern obwohl die Bürokratie mitmischt. Ziviler Ungehorsam und pragmatische Lösungen sind längst an der Tagesordnung. Kluge Leute mit Verstand und Bereitschaft zur Bürokratieabwendung handeln wie Unternehmer. Viele der vom Lockdown unmittelbar oder mittelbar betroffenen Unternehmen wären längst von der Bildfläche verschwunden, wenn nicht an jeder Ecke mit viel Energie versucht würde, das Unternehmen über die Not-Zeit hinüber zu retten und auf ein Durchstarten zu warten.

Eine besonders negative Eigenschaft der Bürokratie ist, dass sich unsinnige Regelungen so schlecht abschaffen lassen. Gibt es erst mal ein Gesetz oder eine Ausführungsanweisung, so erhält sie ganz schnell den Status der Gottgegebenheit und Unveränderlichkeit. Ein „Wir haben einen Fehler gemacht und bitten um Verzeihung“ ist in der Politik ungewöhnlich, in der bürokratischen Verwaltung undenkbar. Lieber leben wir mit abertausenden Vorschriften als über deren Sinnhaftigkeit nachzudenken und Überflüssiges oder gar Schädliches abzuschaffen.

Ein wunderbares Beispiel für diese Nicht-Dynamik stellt die Verzinsung von Steuerzahlungen dar. Bekanntlich werden Steuernachzahlungen und Steuererstattungen ab dem 16. Monat nach dem Ende eines Veranlagungszeitraumes mit sagenhaften 6 % verzinst. Während die Zinserträge als solche versteuert werden müssen, laufen Zinszahlungen ins steuerliche Nirwana. Das ist schon eine schreiende Ungerechtigkeit, zumal mit der Einführung dieser Zinsregelung die Zinserträge, die der Steuerpflichtige mit dem zunächst eingesparten Steuergeld erzielt, kompensiert werden sollten. Aus den damaligen Gesetzesmaterialien aus 1999 geht aber auch das ideologische Konzept hervor, dass die Verzinsung einen Strafcharakter haben soll. Auch das ist absurd, weil wir als Praktiker sehr genau wissen, dass auch die Finanzverwaltung sich manchmal monatelang Zeit lässt mit der Veranlagung, also eine späte Veranlagung keineswegs nur aufgrund später Erfüllung der Abgabepflichten entsteht. Diese Haltung hat sich keinesfalls geändert. Das BMF erlässt am 16.03.2021 ein Schreiben, mit dem diese Ungleichbehandlung als selbstverständlich perpetuiert wird. Aber Achtung: Kommt es in der gleichen Angelegenheit zu Zinserstattungen und aufgrund von Änderungen anschließend zu Zinszahlungen oder umgekehrt, dann stellt das BMF eine Billigkeitsregelung in Aussicht, wonach nur der um die Zinsaufwendungen gekürzte Zinsertrag steuerpflichtig sein soll. Der Steuerpflichtige darf also dankbar sein, dass er Zinserträge nicht versteuern muss, die ihm der Staat wieder wegnimmt.

Soweit so schlecht. Nun wissen die Älteren von uns, dass die Festlegung der 6 % aus einer Zeit stammt, wo es in ähnlicher Größenordnung Festgeldzinsen gegeben hatte. Bekanntlich ist das Zinsniveau für freie Liquidität negativ geworden. Wer glaubt, dass der Gesetzgeber in den letzten 10 Jahren auf die Zinsentwicklung hätte reagieren müssen, sieht sich enttäuscht. Ein variabler Zins zum Beispiel orientiert am Basiszins gemäß § 247 BGB wäre angeblich zu kompliziert zu rechnen. Das stimmt natürlich nicht, weil die Berechnungssysteme längst vollautomatisiert Tag genau rechnen können. Auch diverse BFH-Urteile, die mehr als warnend auf die veränderte Zinssituation hingewiesen hatten, wurden von Gesetzgeber und Bürokratie konsequent missachtet. Eigentlich weiß jeder, dass das erwartete Verfassungsgerichtsurteil diese Zinsregelung ab 2013 kippen wird.

Wie war das noch? Eine einmal gefundene Regelung zu ändern verstößt gegen die Doktrin der Unveränderbarkeit. Der Gesetzgeber lässt sich lieber von den Verfassungsrichtern vorschreiben, wie ein Gesetz zu machen ist oder, korrekter formuliert, hätte gemacht werden müssen.

Die meisten Unternehmen und auch viele Privatleute haben sich darüber nicht aufgeregt, sondern sich diese Lethargie zu Nutze gemacht. Auf Steuererstattungen hat man gerne lange gewartet, keine Aussetzungsanträge bei Einsprüchen gestellt und erwartete Steuernachzahlungen vor dem Beginn des Zinslaufs freiwillig geleistet.

Diese offensichtliche Realität hat die FDP-Fraktion dazu veranlasst, einmal nachzufragen, wieviel Zinsen eigentlich vom Staat eingenommen und wie viele gezahlt wurden. Aus der am 11.03.2021 veröffentlichten Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass der Staat im Jahre 2020 in Höhe von 351,2 Mio. Euro mehr Zinsen gezahlt als erhalten hat. Im Jahre 2019 vor Corona lag das Minus sogar bei 552,8 Mio. Euro.

Aus der Bestrafung der späten Steuerzahler ist also faktisch ein Geldanlageangebot des Staates geworden. Eine innovative Wiederkehr der Bundesschatzbriefe? Leider nicht, denn für diese hochverzinsliche und risikofreie Geldanlage benötigt man einen Steuererstattungsanspruch.

Bei allem Individualnutzen kann der steuerzahlende Bürger diese Verhältnisse schlicht nur noch als Skandal betrachten, leider weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit.

Nichts wünschen wir Ihnen sehnlicher als einen Frühjahrsaufschwung, halten Sie durch!

 

Ihr BPZ-Team

 

Inhaltsverzeichnis

  • Termine Steuern/Sozialversicherung April/Mai 2021
  • Nichtbeanstandungsfrist der Länder bei Kassen läuft ab!
  • Corona-Krise: Besteuerung von Mieteinkünften bei Ausbleiben von Mieteinnahmen
  • Ist eine teilweise Schätzung bei der Anerkennung der Fahrtenbuchmethode zulässig?
  • Durch angemietetes Arbeitszimmer Steuern sparen
  • Gewinn mit Kryptowährung kann steuerpflichtig sein
  • Notwendigkeit einer Einkommensteuererklärung wegen Bezugs von Kurzarbeitergeld
  • Outplacement-Beratung für berufliche Neuorientierung ist steuerfrei
  • Statt Arbeitslohn gewährte Tankgutscheine und Werbeeinnahmen unterliegen der Beitragspflicht
  • WEG: Auch während Corona-Pandemie „Geisterversammlung“ nicht rechtmäßig
  • Corona bedingte Betriebsschließung – Gastwirt bekommt von Versicherung keine Entschädigung
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