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Mit Beginn der Sommerferien sah es fast so aus, als würden wir in die Normalspur des üblichen Lebens und Wirtschaftens einbiegen. Die Börse zeigt sich von der Pandemie unbeeindruckt, die Konsumbereitschaft wächst und scheinbar will niemand auf Urlaub verzichten. Deutschland hat ein gewaltiges Konjunkturpaket auf die Beine gestellt und die EU hat sich auf ein historisches Finanzpaket verständigt. Alles scheint so auszusehen, als würde sich die Wirtschaft genauso schnell erholen wie 2010 nach der Finanzkrise.

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Wir befürchten allerdings, dass wir noch längst nicht alle Probleme hinter uns gebracht haben. Das liegt natürlich zuvorderst daran, dass niemand vorhersehen kann, wie sich die Pandemie weiter entwickeln wird. Solange weder Medikamente noch Impfstoffe verfügbar sind, droht jederzeit ein zumindest lokaler Lockdown. Der Blick in die USA zeigt, dass man dort weit weg davon ist, die Pandemie überwunden zu haben.

Jeder Lockdown kostet Milliarden und gefährdet Betriebe und Arbeitsplätze. Die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung in Form von Soforthilfe, Überbrückungshilfe, Steuerpaket und KfW-Darlehen sind lobenswert, aber stellen eben nur ein Löcher stopfen dar. Werden Betriebe massiv dauerhaft beeinträchtigt, werden Sie die Krise nicht überleben. Damit stellt sich die Frage, wie der Staat und seine gesetzmäßigen Regularien diese Krise bewältigen können.

Zunächst einmal ist gegenüber den staatlichen Behörden große Skepsis angebracht. Beispiel: mit der Soforthilfe für die Monate März, April und Mai 2020 sollte insbesondere Kleinbetrieben und Solo-Selbstständigen wegen deren Umsatzausfällen unter die Arme gegriffen werden. In einigen Bundesländern bereitet man sich intensiv auf Rückzahlungsforderungen vor, weil nunmehr der Liquiditätsengpass als solcher nachgewiesen werden muss oder, wie in NRW, plötzlich Betriebskosten, von denen vorher keine Rede war. Die auf Fixkosten basierende Überbrückungshilfe kommt gerade recht, um sie im Nachhinein auch für die Soforthilfe einzufordern. Entsprechende Aufforderungen haben mehr als 100.000 Solo-Selbstständige in NRW erhalten. Großzügigkeit beim Geldausgeben und Vollstreckungsmentalität beim Zurückfordern? Man kann nur hoffen, dass derartige Versuche nicht nur – wie momentan – vorübergehend aus dem Verkehr gezogen werden, sondern dauerhaft.

Ein zweites Beispiel stellt das Steuerrecht dar. Dort hätte man nun wirklich allen Grund gehabt, eine Steuerreform wirklicher Art durchzuführen und dies insbesondere bei der Gewerbesteuer, die manchen Betrieben den Hals zudrückt, weil eben nicht nur Gewinne besteuert werden sondern durch abenteuerliche Hinzurechnungsvorschriften auch Kosten. Es wäre doch so einfach: seit mehr als 20 Jahren fordern Steuerrechtler und auch wir, dass die Gewerbesteuer die gleiche Bemessungsgrundlage haben sollte wie die Einkommensteuer oder die Körperschaftsteuer, verbunden mit einem individuellen Hebesatz der Gemeinden. Weil sich Bund, Länder und Gemeinden nie wirklich einigen können und jeder darauf bedacht ist, sein Maximum an Steuereinnahmen zu erhalten, ist in der Frage einer Gewerbesteuerreform seit mehr als 2 Jahrzehnten Bewegungsstillstand eingetreten. Niemand aus der Politik wagt es, auch nur einen Reformvorschlag zu machen.

Ein düsteres Kapitel droht durch Insolvenzen. Spätestens wenn das Moratorium am 30.09.2020 ausläuft, wird für viele Betriebe die Frage der bitteren Wahrheit gestellt werden müssen. Wir stoßen dann auf ein Insolvenzrecht und eine Insolvenzwirklichkeit, die trotz aller Reformbemühungen in der Praxis einfach nur als gruselig bezeichnet werden kann. Insolvenzverwalter treffen auf ein Eldorado an eigenen Ertragsmöglichkeiten verbunden mit der Sicherheit, willkürgleich agieren zu können, ohne dass sich jemand dagegen wehrt. Nach wie vor dauern Insolvenzverwaltungen von Klein- und Mittelbetrieben unverständlich lange und der liebste Sport besteht darin, Geschäftsführer, Aufsichtsräte und andere persönlich haftbar zu machen und vorinsolvenzliche Zahlungsempfänger mit den Behauptungen von Kenntnis und Schädigungsvorsatz zu belangen. Sie treffen zumeist auf Gerichte, die vorurteilsbehaftet sind. In Deutschland wird generell gerne der Schuldige gesucht und bei einer Insolvenz muss es ja der Geschäftsführer, Gesellschafter oder Geschäftspartner sein. Hier lohnt ein Blick in die USA, wo man sich nicht lange mit Vergangenheitsbewältigung befasst, sondern stets versucht, aus den Trümmern einer Insolvenz einen lebensfähigen wirtschaftlichen Organismus neu zu ermöglichen und das so schnell wie möglich.

Natürlich gibt es verantwortungsvolle Insolvenzverwalter. Die vermutlich vielen Insolvenzen, die auf uns zukommen, werden möglicherweise die Praxis der Insolvenzverwaltung in Richtung eines verstärkten Pragmatismus verändern. Schließlich lernen wir und die Gerichte, dass ein unscheinbarer Virus auch gesunde Unternehmen hinwegzuraffen vermag und die Suche nach dem schuldigen Menschen müßig ist.

Die Krise ist noch nicht vorbei. Wir hoffen, dass alle Beteiligten in Politik, Wirtschaft und Recht ihr Handeln darauf fokussieren, dass Betriebe und Arbeitsplätze überleben und die Zukunftsfähigkeit des Landes mit in die jeweilige Entscheidungsfindung einprogrammiert wird.

Wir wünschen Ihnen eine hoffentlich entspannte Sommerzeit und verbleiben

 

Ihr BPZ-Team

 

Inhaltsverzeichnis

  • Termine Steuern/Sozialversicherung August/September 2020
  • Wann kommt ein Verlustvortrag zur Anwendung?
  • Geltendmachung von Fahrtkosten zur Arbeit: Taxi als „öffentliches Verkehrsmittel”
  • Mit Entfernungspauschale ist Hin- und Rückweg abgegolten – Bei einem Weg nur die Hälfte zu berücksichtigen
  • Verlustfreie Bewertung von Vorratsvermögen
  • Supermarkt-Rabattmodell: Auf “Mitgliedschaft” ist umsatzsteuerrechtlich der Regelsteuersatz anzuwenden
  • Einige Bundesländer verlängern Frist zur Aufrüstung von Kassen
  • Pflicht zur Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung kann auch nach Trennung bestehen

 

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