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Das noch junge Jahr 2018 hat verfassungsrechtlich mit einer interessanten und weitspannenden steuerlichen Frage begonnen. Am 16.01.2018 fand vor dem Bundesverfassungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, bei der es um die Frage ging, ob die Einheitswerte des Grundvermögens verfassungsrechtlich zu beanstanden sind oder nicht.

BPZ-AKTUELL-Februar-2018.pdf

Das Bemerkenswerte an dieser Verhandlung war, dass außer einem bescheidenen Protest des

Bundesfinanzministeriums niemand Zweifel daran hatte, dass die derzeitige Rechtslage nicht verfassungsgemäß ist. Das wurde bereits im Vorfeld so eingeschätzt und demzufolge waren die kritischen Hinweise des Gerichts für niemanden wirklich überraschend. Salopp formuliert wissen wir und andere Fachleute schon seit langem, dass irgendwann dem Gesetzgeber eine Neuregelung aufgezwungen werden wird.

Worum geht es? Die Einheitswerte für Grundvermögen werden für jedes Grundstück festgestellt, unter anderem als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer. Um das Grundvermögen vergleichbar zu machen, bedarf es einer Feststellung auf einen einheitlichen Stichtag. Dieser Stichtag ist der 01.01.1964 und für die Länder aus der früheren DDR der 01.01.1935. Diese Uraltstichtage erscheinen als solche schon grotesk. Es führt nämlich dazu, dass zum Beispiel ein neu errichtetes Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen rückwärts nach den Verhältnissen zum 01.01.1964 bewertet werden muss. Auch wenn es surreal erscheint, ist dies nicht das eigentliche Problem, weil letztendlich die darauf erhobene Grundsteuer nach individuellem Hebesatz der Gemeinde festgelegt wird. Kurz gesagt: wäre ein Einheitswert auf den 01.01.2018 um das Fünffache höher als auf den 01.01.1964, durfte die Gemeinde eben auch nur 20 % des derzeitigen Hebesatzes festlegen. Demzufolge muss niemand fürchten, dass ein aktueller Einheitswert generell zu einem höheren Steueraufkommen führt.

Verfassungsrechtlich problematisch ist allein, dass sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte die Lagen unterschiedlich entwickeln. Ehemalige innerstädtische Industriegebiete mit geringem Wohnwert sind heutzutage top, während sich insbesondere dörfliche Strukturen negativ entwickelt haben. Problematisch ist also, dass heutzutage zwischen den Immobilien andere Vergleichsrelationen gelten als 1964.

Die theoretische Lösung ist ganz einfach und war ursprünglich vom Gesetzgeber auch vorgesehen. Alle Grundstücke werden alle sechs Jahre neu bewertet, sodass eine immerwährende Vergleichbarkeit gewährleistet ist. Das aber funktioniert nicht in Deutschland. Warum nicht?

Zum einen scheint die schiere Masse von 35 Millionen Immobilien zu erdrücken. Zum anderen erlauben wir uns in Deutschland ein ziemlich aufwändiges Verfahren zur Bewertung; je nach Immobilie sind Ertragswertverfahren oder Sachwertverfahren anzuwenden und dann findet man auch noch den Gemeinen Wert, den man entgegen der allgemeinen steuerlichen Definition leider nicht mit dem Verkehrswert gleichsetzen kann. Wer jemals das Vergnügen hatte, eine gewerbliche Immobilie im Sachwertverfahren zu erfassen, der weiß, dass man hierzu Bausachverständiger sein muss und dass die hunderte von Abfragen hinsichtlich Bauausführung und Bauausstattung einen immensen Aufwand erfordern und am Ende trotz des hohen Maßes an Detailfreudigkeit nicht wirklich passen.

Genau dieser Anspruch einer möglichst genauen Werterfassung wird zum buchstäblichen Kreuz. Wie bei anderen Steuergesetzen auch ist die „richtige“ Ermittlung derart aufwendig, dass sie nur mit hohem Aufwand von Spezialisten bewerkstelligt werden kann. Dieser Genauigkeitsanspruch birgt leider auch ein hohes Maß an Streitpotenzial. Eine allgemeine grobe Werteinschätzung, auf die man sich im Zweifel kaufmännisch einigt, ist weit weniger streitanfällig als eine detaillierte aus 100 Elementen, von denen mit Sicherheit mindestens eins Anlass zu kontroversen Auseinandersetzungen bietet.

Ein vereinfachtes Verfahren, orientiert an marktüblichen Grundstücksbewertungen, steht aber auch bei den bisherigen Reformvorschlägen nicht wirklich zur Debatte. Über einen solchen Reformvorschlag hatten wir in BPZ Aktuell 09/2016 Special Nr. 279 berichtet. Weil eine solche „richtige“ Bewertung von niemandem und auch anscheinend nicht vom Bundesverfassungsgericht als Erfordernis angezweifelt wird, diskutiert man über eine 10-jährige Übergangszeit. Auch bei der verfassungsgerichtlichen Entscheidung scheint es nur noch um die Frage der Fristigkeit zu gehen.

Wer die Dynamik des Immobilienmarktes kennt, stellt sich sehr schnell die Frage, ob nach zehn Jahren nicht wieder eine Neubewertung erforderlich ist. Wäre es nicht weit sinnvoller, vereinfachte Verfahren zu verwenden, wie sie tagtäglich mit begrenztem Aufwand zum Beispiel für Finanzierungszwecke vorgenommen werden? Dann hätte der steuerliche Einheitswert tatsächlich und sensationell sogar einen Bezugspunkt zum Verkehrswert. Natürlich fehlt hier die letzte Genauigkeit. Wenn aber die jetzige Genauigkeit dazu führt, dass aufgrund der Berechnungsmethodik eine perfekt restaurierte Altbauwohnung mit 100 m² nur einen halb so hohen Einheitswert hat wie ein gewöhnlicher Neubau, dann verliert sich das Gerechtigkeitsargument in der Ödnis der unbebauten Wüste Gobi.

Wir bleiben in dieser Frage, die viele Menschen und auch Mieter betrifft, am Ball und werden berichten, ob sich unsere Denkansätze an der einen oder anderen Stelle wiederfinden werden.

 

Ihr BPZ-Team

 

Inhaltsverzeichnis

 

  • Zahlungsverzug: Höhe der Verzugszinsen
  • Keine Steuerermäßigung für außerhalb des Haushalts erbrachte Handwerkerleistungen
  • Steuerfreiheit eines privaten Veräußerungsgeschäfts bei Grundstücken
  • Organschaft: (Nicht)anerkennung des Gewinnabführungsvertrags bei Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter
  • Abzinsung von Angehörigendarlehen
  • Nebenkostenabrechnung: Vermieter muss haushaltsnahe Dienstleistungen aufschlüsseln
  • Fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückständen
  • Vermieter kann während gesetzter Zahlungsfrist nicht wegen Zahlungsverzugs kündigen
  • Vom Erben gezahlte Einkommensteuervorauszahlungen des Erblassers sind erbschaftsteuerliche NachlassverbindlichkeitenAnschrift des leistenden Unternehmers in Rechnungen
  • Neues, strenges Datenschutzrecht tritt am Mai 2018 in Kraft