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Ungeachtet der vorsichtigen Lockerungsmaßnahmen ist die Wirtschaft nach wie vor weitgehend im Krisenmodus gefangen. Wäre der Lockdown eine Maßnahme mit dessen Ende umgehend der frühere Zustand wiederhergestellt würde, wäre es „nur“ ein verheerender Wirbelsturm gewesen. So haben wir es aber mit einem Dauer-Tief zu tun, das sich möglicherweise erst im Jahr 2021 verzieht.

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Die Gründe einer langsamen Gesundung liegen auf der Hand. Abstands- und Mundschutzregelungen lassen manchen Hotelier und Gastronomen sich die Frage stellen, ob mit einer zum Beispiel auf 40 % geminderten Kapazität überhaupt die variablen Kosten gedeckt werden können und ob es besser ist, den Laden geschlossen zu lassen. In Krisenzeiten wird die Liquidität zusammengehalten, so dass Unternehmen nur das Nötigste investieren und in ihren Kostensparprogrammen als erstes die Vertriebskosten senken. Die Arbeit wird insgesamt weniger, was sich in rapide steigenden Arbeitslosenzahlen und einer hohen Anzahl an Kurzarbeitern niederschlägt. Das drückt wiederum die Konsumnachfrage. Ein Minus von 70 % beim Autohandel sowohl in Deutschland als auch in Europa entsteht nicht durch gerissene Lieferketten, sondern simpel dadurch, dass weder Firmen noch Privatleute Autos kaufen wollen.

Die Corona-Krise zeigt, wie komplex das Gleichgewicht in einer Volkswirtschaft austariert ist und wie schnell extern verursacht Domino-Effekte entstehen können. Sie zeigt auch, welche Bedeutung das imaginär wirkende Vertrauen in die Wirtschaft hat.

Diese volkswirtschaftlichen Zusammenhänge sind weiß Gott nichts Neues und die politische Führung des Landes ist sich einig, dass ein Konjunkturprogramm her muss. Lobbyisten bringen sich in Stellung und wissen ganz genau, weshalb die eine oder andere Förderung Deutschland retten wird. Der Wettbewerb der Subventionsjäger wird übertroffen vom Wettbewerb des „richtigen“ Konjunkturprogramms. Ein wahres Festival der Förderungen macht sich breit. Mal soll für jedes Kind ein 300 € Schein vom Himmel regnen, mal sollen die Steuersätze erhöht, dann wieder gesenkt werden, ein andermal sollen nur „gute“ Käufe subventioniert oder alles den Klimazielen untergeordnet werden und ein andermal soll es sich nicht um Zuschüsse, sondern Kredite handeln. Konjunkturprogramme haben das unbestrittene Talent, lenkungspolitisch missbraucht zu werden.

Braucht man wirklich milliardenschwere Konjunkturprogramme? Unternehmen und Arbeitsplätze werden durch Wettbewerbsfähigkeit und günstige Rahmenbedingungen gefördert. Keiner weiß das besser als der deutsche Mittelstand, der üblicherweise wenig mit Subventionen anfangen kann, aber viel mit eigener Leistungsfähigkeit. Dauerhaft wirkende stimulierende Prozesse könnten durchaus auch aus steuerlichen Maßnahmen resultieren. Das hat auch der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) erkannt und Ende Mai steuerliche Maßnahmen vorgeschlagen.

Manches davon ist ganz einfach. Völlig unsinnige strangulierende Vorschriften wie die eingeschränkte Nutzung von Verlustrückträgen und -vorträgen kann man ebenso abschaffen wie die höchst überflüssige Mindestbesteuerung, die bei Einführung ironischerweise mit der Notwendigkeit der Verstetigung der Haushaltseinnahmen begründet wurde. Seinerzeit lautete das Motto, wenn es schon den Unternehmen schlecht geht, dann soll es wenigstens dem Staat noch einigermaßen gut gehen. Wenn Corona nun diese verblendete Ideologie umkehrt, ist es in Zeiten explodierender Haushaltsausgaben tatsächlich der richtige Zeitpunkt, mit diesen Dogmen aufzuräumen.

Der wissenschaftliche Beirat stellt ebenso infrage, weshalb die handelsrechtlich gebotenen Drohverlustrückstellungen steuerlich seit 1997 nicht mehr abzugsfähig sein durften. Drohverlustrückstellungen wurden zum steuerlichen „Unwort“, da der Begriff keine eindeutige Definition zulässt; die Drohverlustrückstellung wurde einfach anders benannt. Trotzdem war es dem Gesetzgeber seinerzeit unerhört wichtig, diese Verlustvorverlagerung unbedingt verhindern zu müssen, zur heimlichen Freude der Betriebsprüfer und ihrer Gegner, der Steuerberater. Auch die völlig unzureichenden Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz mit dem fremdartigen Zinssatz von 6 % wurden vom wissenschaftlichen Beirat aufgegriffen.

Es hätte etwas ungeheuerlich Tröstendes, wenn der bösartige Virus dazu beiträgt steuerpolitisch motivierte Geschwulste zu entfernen. Der Virus schafft etwas, was hochrangige Steuerrechtler nicht vermocht hatten.

Der wissenschaftliche Beirat hatte auch noch eine neue Idee. In einer Zeit, in der in erheblichem Ausmaß darüber gestritten wird, ob die Auswirkungen der Corona-Krise bereits in Jahresabschlüssen zum 31.12.2019 abgebildet werden können oder sogar müssen, schlägt er simpel vor, eine steuerwirksame Rücklage in Höhe des voraussichtlichen Verlustes 2020 bilden zu dürfen. Dann bliebe die Handelsbilanz unversehrt, weil die steuermindernde Rücklage außerhalb der Bilanz bei Einreichung der Steuererklärung gebildet wird. Zu Recht weist der wissenschaftliche Beirat darauf hin, dass durch diese Rücklagen keine endgültigen Steuerausfälle entstehen, sondern lediglich eine Art Stundung, da die Rücklage ja mit Realisierung der Verluste wieder aufgelöst werden muss. Eine solche Maßnahme wäre in der Tat für viele Unternehmen sehr hilfreich und die Einführung recht simpel.

Eines hat der wissenschaftliche Beirat allerdings vermieden, nämlich sich für eine Senkung der Steuerlast stark zu machen, nicht einmal für die endgültige Abschaffung des verfassungswidrigen Solidaritätszuschlags. Man könnte sagen, das macht nichts, jedenfalls für Unternehmen, die Verluste erwirtschaften, also keinen steuerpflichtigen Gewinn erzielen und denen es daher auch egal ist, ob der nicht erzielte Gewinn mit 20 % oder 35 % besteuert wird. Andererseits geht es um das Vertrauen und die langfristige Sicherung und da sollte man eine Steuersenkung nicht als Subvention verstehen sondern als Beitrag zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Bedauerlicherweise hat sich der wissenschaftliche Beirat auch nicht zur Gewerbesteuer geäußert. Bei vielen Unternehmen auch des Mittelstandes ist die Belastung durch die Gewerbesteuer höher als diejenige durch die Körperschaftsteuer. Vor allem nerven die teilweise völlig widersinnigen Hinzurechnungsvorschriften, die zum Konjunkturprogramm für Finanzgerichte avanciert sind. Auch eine Verlustrücktragsmöglichkeit sucht man bei der Gewerbesteuer vergeblich. Die Gewerbesteuer gehört seit Jahrzehnten renoviert, pardon kernsaniert und ist bestens für eine Vereinfachung geeignet, zum Beispiel als Annexsteuer zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Aber: Die Gewerbesteuer ist die heilige Kuh der Gemeindefinanzierung. Die vom Finanzminister Scholz jüngst geforderte Sanierung der Haushalte der Kommunen wäre nunmehr der ideale Anlass, die heilige Kuh endlich zu schlachten. Wenn schon tabula rasa gemacht wird bei der Gemeindefinanzierung, dann auch hinsichtlich einer für die Unternehmen erträglichen Gewerbesteuer.

Mal sehen, was die Regierung an steuerlichen Maßnahmen umsetzen wird. Wir bleiben für Sie am Ball.

 

Ihr BPZ-Team

 

Inhaltsverzeichnis

  • Termine Steuern/Sozialversicherung Juni/Juli 2020
  • Informationen für Grenzpendler
  • Verlängerung der Erklärungsfrist für vierteljährliche und monatliche Lohnsteueranmeldungen
  • Steuerfolgen bei Sachspenden aus dem Betrieb an steuerbegünstigte Organisationen
  • Doppelbesteuerung von Renten
  • Datenschutzgrundverordnung begründet keinen Anspruch auf Akteneinsicht auf dem Gebiet der Einkommensteuer
  • Kindergeldanspruch geht nicht durch Unterbrechung des Freiwilligen Sozialen Jahres wegen Krankheit verloren
  • Rückwirkende Steuerfreiheit von Fort- und Weiterbildungen
  • Corona-Krise: Unterstützung für Gastronomie
  • Pkw-Überlassung an Arbeitnehmerehegattin kann umsatzsteuerrechtliche Folgen haben
  • Erhöhung von Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise
  • Erweiterte Möglichkeiten beim Hinzuverdienst zum Kurzarbeitergeld
  • Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld verlängert
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