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Wieso hat Deutschland im internationalen Vergleich einen desaströs miserablen Ruf hinsichtlich der Steuern? Weil keiner verstehen kann, was wir mit preußischer Ordnungsliebe geradezu kultivieren.

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Das fängt mit der Steuerbelastung an. Wir sonnen uns innerhalb der EU aber auch im Vergleich zum Rest der Welt in der Gewissheit, den Unternehmen und damit der Gesamtwirtschaft die mit am höchsten Steuerbelastungen zumuten zu können. Internationalen Steuerwettbewerb muss der deutsche Steuer-Weltmeister scheinbar nicht befürchten und die im EU-Ausland übliche steuerliche Begünstigung von Lizenzerträgen (IP-Box-Besteuerung) verstößt gegen Michels Denkgesetze.

Kann den Ruf etwas noch mehr beschädigen als eine hohe Steuerbelastung? Jawohl – das geht und zwar durch die Ausgestaltung und Verwaltung der Steuereintreibung. Von Grönland bis Neuseeland gilt als glaubwürdig, dass 80 % der steuerlichen Gesetzgebung und Literatur auf Deutsch geschrieben steht. Möchte man einen Ausländer aus dem Investitionsstandort Deutschland vertreiben, genügen bloße Erzählungen zur deutschen Finanzverwaltungspraxis.

Dieser Rufschädigung im Ausland sollte man begegnen. Eine wunderbare Aufgabe für PR-Agenturen. Deren größtes Problem wäre aber nicht die Entwicklung einer überzeugenden Kommunikationsstrategie, sondern der tägliche Wahnsinn, den Steuergesetzgebung
und -verwaltung produzieren. Hierzu muss man keinesfalls in die Tiefen der Vergangenheit hinabtauchen, es reicht eine simple Gegenwartsbetrachtung.

Ein Beispiel ist die Grunderwerbsteuerreform vom 17.05.2021, der sich unser Rechts-Tipp widmet. Normalerweise wird der Verkauf von Grundstücken mit Grunderwerbsteuer belastet. Das gleiche gilt aber auch, wenn (bisher) mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz übertragen werden. Es ist allgemeiner politischer Konsens, dass die bisherige 95 %-Regelung nicht etwa geltendes langjähriges Recht sei, sondern ein Steuerschlupfloch und ein Missbrauch zur Steuervermeidung. Also macht man flugs eine sogenannte Gesetzesreform mit umfangreicheren Erfassungstatbeständen und längeren Fristen. Ende 2019 war das Gesetz fertig und erntete enormen Widerspruch aus Wirtschaft und Steuerwissenschaft. Lieber verschieben hieß es damals und dann kam Corona. Im Zuge der sich zu Ende neigenden Legislaturperiode wird dann dieses Gesetz ohne merkliche Veränderung durchgepeitscht, so als hätte man die starken Einwände gegen die verschärfende Gesetzgebung gar nicht gehört. Man kann auch sagen, dem Bundestag und dem Bundesrat ist es in seiner Mehrheit furchtbar egal, ob es sachlogische Argumente dagegen gibt oder nicht. Das i-Tüpfelchen der gerechten Besteuerung ist, dass in Zeiten des Föderalismus das eine Land 3,5 % Grunderwerbsteuer erhebt und ein anderes mit 6,5 % fast doppelt so viel.

Das gleiche einseitige Obrigkeitsdenken legt bisweilen die Verwaltung an den Tag. Tausende Unternehmen kämpfen mit den Corona-Hilfen ums Überleben. Noch sind wir mittendrin, aber schon wird eine verschärfte Gangart erlebbar, weil der Jagdinstinkt eifriger Beamter geweckt wurde (Prüfungsanweisung des Finanzministeriums Schleswig-Holstein vom 07.05.2021). Die Tatsache, dass verbundene Unternehmen nur einen Antrag auf Corona-Überbrückungshilfen stellen können und es demzufolge völlig egal ist, welches Unternehmen aus dem Unternehmensverbund die Hilfsgelder beantragt und bekommt, weckt steuerliche Begehrlichkeiten. Denn: sollten die Zuschüsse nicht verursachungsgerecht innerhalb des Unternehmensverbundes zugeordnet werden, öffnet sich die Goldgrube namens verdeckter Gewinnausschüttungen und verdeckter Einlagen.

Im Leiden Nutzen ziehen zu können, war immer schon eine besondere Stärke deutscher Finanzverwaltung und leider auch Teilen der Rechtsprechung. In der Praxis vieler Betriebsprüfungen geht es keinesfalls um die angemessene Besteuerung tatsächlich erzielter Gewinne, sondern um die „findings“ möglicher vertraglicher oder sonstiger Unstimmigkeiten mit der Folge, dass die tatsächlichen Steuerbelastungen weit höher ausfallen, als es den an sich schon hohen Steuersätzen entspricht. Dass es in dieser Geisteshaltung noch Luft nach oben gibt, beweist das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern.

In einem Erlass vom 09.03.2021 wird zunächst festgestellt, dass es für die Besteuerung unerheblich ist, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Übersetzt aus dem Beamtendeutsch heißt das, dass der Staat auch sämtliche kriminell erzielten Gewinne besteuern darf und dann wohl auch möchte. Auch wenn eine konkrete Verwaltungsvorschrift noch fehlt, dürfen wir wohl davon ausgehen, dass die Gewinne aus Betrug, Diebstahl und Erpressung in der Steuererklärung als gewerbliche oder selbstständige Einkünfte anzugeben sind und selbstverständlich als Teilnahme am Verkehr der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind.

Im zweiten Absatz des Erlasses wird allerdings bedauert, dass aufgrund eines EuGH-Urteils aus dem Jahre 1988 die Lieferung von illegalen Drogen durch Verbot ausgeschlossen ist und daher nicht der Umsatzbesteuerung unterworfen werden kann.

Mit offensichtlicher Genugtuung wird dafür im dritten Absatz ausgeführt, dass aber die Vermittlung von Lieferungen illegaler Waren, bei denen der Handel in allen Mitgliedstaaten einem vollständigen Verkehrsverbot unterliegt, sehr wohl der Umsatzsteuer unterworfen werden kann. Leider fehlt ein Hinweis, dass damit in Zusammenhang stehende Vorsteuern abgezogen werden können und dass zweckmäßigerweise derartige kriminelle Vermittler eine USt-ID-Nr. beantragen sollten, damit sie sich jedenfalls umsatzsteuerlich legal innerhalb der EU geschäftsmäßig betätigen können.

Von der Generierung der Steuern aus kriminellen Handlungen ist es nicht mehr weit zur Kriminalität des Staates als solchem. Moral? Fehlanzeige, es hatte schließlich auch kaum jemanden gestört, dass der Staat die Hehlerei mit sensiblen Daten zu Kapitalerträgen gefördert hat. Und überhaupt: Es wäre ja eine schreiende Ungerechtigkeit, wenn Diebeserträge im Gegensatz zu ehrlichen Einkünften steuerfrei wären!

Die drei geschilderten Vorfälle sind keine überspitzten Beispiele einer investigativen Ermittlung, sondern schlicht Ereignisse der letzten Wochen. Sie stehen in einer langen Tradition und wenn man sich den großen und teils gefährlichen Unsinn durchliest, der in manchen Wahlprogrammen steht, darf man nicht auf Besserung hoffen. Nicht einmal die Corona-Krise hat es vermocht, über sinnvolle Steuerreformen und eine bürger- und unternehmerfreundliche Verwaltungspraxis nachzudenken. Da nutzen auch die Versprechen zu Steuerstundungen und großzügiger Hilfe nicht viel, wenn einerseits über die Steuerpolitik eine Gegenfinanzierung erwartet wird und andererseits sich bereits jetzt gierig auf alles gestürzt wird, was Steuersubstrat in klassischer Jäger- und Sammlermentalität verspricht.

Mit amerikanischen Unternehmerkollegen sollte man nie über US-amerikanische Politik reden. Als deutscher Gesprächsteilnehmer in internationalen Gesprächsforen sollte man mit der gleichen Konsequenz niemals über Theorie und Praxis des deutschen Steuerrechts sprechen.

Wir wünschen Ihnen einen aufschwungreichen Sommer.

 

Ihr BPZ-Team

 

Inhaltsverzeichnis

  • Termine Steuern/Sozialversicherung Juni/Juli 2021
  • Fahrtkosten zur Betreuung von Enkelkindern als außergewöhnliche Belastungen?
  • Nachweis der fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung eines Pkw bei der Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbetrag
  • Verringerung der 1 %-Pauschale um Aufwendungen des Arbeitnehmers
  • Keine Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Gutscheinbücher
  • Arbeitshilfe zur Kaufpreisaufteilung aktualisiert
  • Sturz auf dem Weg ins Homeoffice ist nicht gesetzlich unfallversichert
  • Wohnungseigentümerversammlung muss auch während COVID-19-Pandemie stattfinden

 

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