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Wir haben in Deutschland ein ganz besonderes Verständnis für die Ordnungskompetenzen des Staates. Jeder Missstand wird genutzt um zu hinterfragen, ob unser Gesetzeswerk ausreichend ist. Der Ruf nach dem Gesetzgeber ertönt oft, weil sich dieses Volk scheinbar kein Vertrauen in gegenseitige Vernunft gönnt.

BPZ AKTUELL März 2020.pdf

Die Gesetzgebung mit ihrem Gerechtigkeits- und Vollständigkeitswahn ist die eine Seite, der Gesetzesvollzug die andere. Auch da wird ständig genörgelt und gefragt, weshalb denn das eine oder andere, was nicht erlaubt ist, nicht schärfer kontrolliert und überwacht wird. Wir sind in Deutschland nicht nur die Weltmeister in der Forderung nach umfassenden Datenschutz zur Rettung der Privatsphäre, sondern auch die Weltmeister der Sehnsucht nach Ordnung und Überwachung der selbigen.

So verstehen sich viele Behörden nicht als Dienstleister für Bürger und Unternehmen, sondern als deren Überwacher, um möglichen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Bürger und Behörden können es nicht miteinander, sondern anscheinend nur gegeneinander. Das gibt uns Anlass etwas einzufordern, woran es zu mangeln scheint: Kümmert euch um den Fortschritt und die Belange der Bürger und Unternehmen und lasst den selbigen mehr Freiheiten.

Besonders wichtig wäre ein Umdenken. Gesetze sind dafür da, Ordnungsrahmen zu setzen und kein Selbstzweck für Überwachungsaktivitäten. Was ein falsches Gesetzverständnis anrichten kann, haben wir jüngst beim Transparenzregister erfahren dürfen. Beim Transparenzregister handelt es sich um eine „Erfindung“ der EU, die 2018 in nationales Recht umgesetzt wurde. Im Prinzip geht es darum, dass öffentlich werden soll, wem Unternehmen bzw. maßgebliche Anteile daran gehören. Soweit so gut.

Für AGs bedeutet dies, dass man eine Meldung abgeben muss, wenn ein Aktionär mehr als 25 % der Aktien hält. Hat kein Aktionär mehr als diese Quote, gibt es keine Meldepflicht. Das steht nicht nur im Gesetz, sondern wird auch im Beipackzettel des Bundesverwaltungsamtes ausdrücklich bestätigt. Das Bundesverwaltungsamt hat die Aufgabe, das Transparenzregister zu führen und zu überwachen, ob die Unternehmen ihren Meldepflichten nachkommen.

Nun hat das Bundesverwaltungsamt Ende letzten Jahres festgestellt, dass viele AGs keine Meldung abgegeben haben. Das ist ja auch logisch, da viele AGs keinen Gesellschafter haben, der mehr als 25 % der Aktien besitzt. Wer nun glaubt, dass das Bundesverwaltungsamt vorsichtig nachfragt, weshalb keine Meldung abgegeben worden sei, der sieht sich getäuscht. Statt der harmlosen Rückfrage wurden bundesweit Ordnungswidrigkeitsverfahren mit Bußgeldandrohung eingeleitet, immerhin mit vorheriger Anhörung. Das ist das gleiche, als wenn ein Verfahren auf Verdacht eingeleitet wird, nur, weil man ein Auto besitzt. Man könnte ja die Geschwindigkeit übertreten haben oder bei Rot über die Ampel gefahren sein.

Unsere Kölner Kollegen haben sich für einen betroffenen Mandanten als Rechtsanwälte bestellen lassen und angegeben, dass dieser mangels Überschreitung der 25 %-Beteiligungsgrenze nicht zur Meldung verpflichtet sei. Sie haben auch angefragt, weshalb auf Verdacht Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden. Statt einer Antwort haben sie einen Anruf erhalten, in dem sinngemäß ausgeführt wurde, das wäre halt so der Verwaltungsvorgang und man möchte zu dieser Praxis nicht schriftlich Stellung beziehen.

Das kann man nachvollziehen, denn es wäre doch hochnotpeinlich, wenn eine deutsche Behörde offiziell die Auffassung vertritt, dass sie die Unternehmerschaft unter den Generalverdacht stellt, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nach zu kommen und somit Gesetzesüberschreitungen zu begehen. Sinnigerweise kann man dem Transparenzregister nicht melden, dass man nicht meldepflichtig ist. Man muss im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens schreiben, dass man zur Meldung nicht verpflichtet ist und bekommt als Belohnung für die gesetzestreue Auskunft ein Schreiben, wonach das Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestellt wurde. Erhalten wir demnächst Ordnungswidrigkeitsverfahrenseinstellungsbescheide dafür, dass wir nicht falsch geparkt und nicht im Ecklokal geraucht haben?

Wir finden es beschämend, dass der Staat und seine Vollzugsbeamten sämtlichen Unternehmen unterstellen, sie hätten sich eines Vergehens schuldig gemacht. Nicht der Staat weist die Verfehlung nach, sondern der Unternehmer muss sich im Rahmen eines gegen ihn eingeleiteten Verfahrens exkulpieren, dass er einen nicht meldbaren Vorgang nicht gemeldet hat.

Es macht einem Angst, wenn man bei neueren Gesetzesvorhaben wie zum Beispiel der Grundrente verfolgen darf, dass hochkomplexe neue Regelungen eingeführt werden, von denen man ein knappes Jahr vor Einführung schon weiß, dass sie verwaltungstechnisch nicht zu beherrschen sind, so die medienwirksame Auskunft der Rentenversicherung.

Gut, wenn man jemanden kennt, der einem zu seinem Recht verhilft, wie BPZ.

 

Ihr BPZ-Team

 

Inhaltsverzeichnis

  • Termine Steuern/Sozialversicherung März/April 2020
  • Entgelt für die Anbringung von Werbung auf privatem Pkw ist lohnsteuerpflichtig
  • Steuerliche Behandlung von Tätigkeiten im Bereich Alten-/Krankenpflege
  • Verbesserung bei der steuerlichen Behandlung von Diensträdern
  • Schätzung der Einnahmen und Umsätze bei einem Imbiss
  • Keine Spekulationssteuer auf häusliches Arbeitszimmer
  • Prüfungsschwerpunkte der Finanzämter
  • Doppelte Haushaltsführung von Ledigen bei Beteiligung an den Kosten eines Mehrgenerationenhaushaltes
  • Selbst bewohntes Haus verkauft – Keine Spekulationssteuer trotz Zwischenvermietung
  • Bei Bäckereien im Eingangsbereich von Supermärkten gilt beim Verkauf von Backwaren zum dortigen Verzehr der volle Umsatzsteuersatz
  • Missbrauch von Kundendaten rechtfertigt fristlose Kündigung
  • Mindestlöhne für Beschäftigte in der Altenpflege werden angehoben
  • Anlegen der Arbeitskleidung kann bei fehlender Umkleidemöglichkeit Arbeitszeit sein

 

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