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Was ist der Unterschied zwischen einer Aufmerksamkeit und einem Frühstück? Es ist kaum zu glauben, dass diese Frage von dem obersten Finanzgericht in Deutschland, dem BFH in München entschieden werden musste.

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Ein Arbeitgeber hatte seinen Arbeitnehmern Backwaren und Heißgetränke kostenlos zum sofortigen Verzehr im Betrieb bereitgestellt, so im Originalton die Sachverhaltsbeschreibung. Wenn es ein Frühstück gewesen wäre, hätte es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn gehandelt. Was also ist ein Frühstück? Der BFH (Urteil vom 03.07.2019 – VI R 36/17) entschied, dass „… für die Annahme eines (einfachen) Frühstücks jedenfalls ein Aufstrich oder Belag (wie z.B. Butter, Aufschnitt oder Marmelade) hinzutreten muss“. Da dies nicht der Fall war, entging der Arbeitgeber der Lohnsteuernachzahlung und kam mit dem Schrecken davon.

Ist dieses Urteil Anlass sich darüber zu freuen, dass der Steuergerechtigkeit genüge getan wurde? Einerseits ja, andererseits stellt man sich die Frage, was zum Teufel der deutsche Fiskus alles unternimmt, um das Steueraufkommen zu erhöhen und mit seiner restriktiven Auffassung jahrelang Beamte, Unternehmen und Rechtsanwälte/Steuerberater zu beschäftigen? Ist das pure Habgier der Steuereintreiber, neidischer Blickwinkel der Prüfer oder der diesen antrainierte Jagdtrieb?

Vor allem in den nordrhein-westfälischen Finanzbehörden ist zunehmend eine Haltung erkennbar, die sich vom Augenmaß abwendet. Wie schon bei anderen Behörden wird routine- und standardmäßig zulasten des Steuerpflichtigen entschieden. Bevor dem Finanzbeamten vorgeworfen werden kann, er hätte etwas übersehen oder durchgehen lassen, sollen doch bitteschön die Gerichte klären, was richtig ist.

Für die Gilde der Steuerberater ist das, was Unternehmen und Unternehmern zurecht auf die Nerven geht, schon fast normal. Es ist auch kein Ende in Sicht. Schaut man sich die vielen Gesetzesänderungen der letzten Jahre an, so beschäftigt sich die überwiegende Mehrzahl nicht mit Steuervereinfachungen, sondern mit Verschärfungen und Differenzierungen. Wenn der Gesetzgeber mit seiner Regulierungswut und dem Streben nach vollständiger Erfassung aller denkbaren Lebenssachverhalte es vormacht, warum sollten dann die Verwaltungsorgane über eine liberalere Sichtweise verfügen?

Sicher, es gab das eine oder andere sogenannte Steuervereinfachungsgesetz. Die hatten aber fast nie mit wirklichen Steuervereinfachungen materieller Art zu tun, sondern lediglich mit prozessorientierten Verarbeitungsvorgängen. Vielleicht sollte das Bundesfinanzministerium in KI (Künstliche Intelligenz) investieren, um unter Zuhilfenahme von Google und Co. alle möglichen steuerlich relevanten Dinge zu beobachten und zu erfassen. Besteuerung erfolgt dann automatisch nach dem Algorithmus der Mutmaßung. Ist sie falsch, kann sich der Steuerpflichtige ja schließlich dagegen wehren, gerne auch vor Gericht.

Auch der BFH meinte in einem aktuellen Urteil, dass es Aufgabe des Steuerpflichtigen sei, die Unsinnigkeit und Komplexität von steuerlichen Vorschriften auszutricksen. In diesem Fall (Urteil vom 11.04.2019 – III R 36/15) führte die mitvermietete Betriebsvorrichtung einer Kühlanlage unter Verneinung einer Geringfügigkeitsgrenze zur Versagung der Gewerbesteuerkürzung mit der Folge hoher Gewerbesteuerbelastungen. Das vor Gericht unterliegende Unternehmen musste sich von den höchsten Finanzrichtern Deutschlands belehren lassen, dass es ja eine zweite Gesellschaft zur Vermietung der Kühlanlage hätte installieren können. Vielleicht demnächst auch für eine Teeküche? Oder einen Einbauschrank?

Könnte vielleicht die Politik helfen, diesem Wahnsinn der Strangulierung von Unternehmen ein Ende zu setzen? Die Aussicht hierauf ist so aussichtsreich wie der Horizont mitten im Pazifik. Von Steuervereinfachungen redet in der Politik eigentlich niemand mehr. Die Steuerbelastung der Unternehmen zu senken hört man hin und wieder von der FDP und von Randgruppen der Union. Im Zeichen des erfolgreichen Populismus lässt sich eher Schlimmes befürchten. Die Reichen ‑ und das sind Unternehmen und Unternehmer per Vorurteil – sollen mehr Steuern zahlen. Das gilt als mehrheitsfähig beim Wählervolk. Die Anhebung von Steuersätzen scheint populär zu sein und dass der Solidaritätszuschlag für Unternehmen beibehalten werden soll, interessiert scheinbar niemanden; die seit 1996 mausetote Vermögensteuer soll wiederbelebt werden und Gemeinden mit niedrigen Gewerbesteuerhebesätzen werden angeprangert.

Hilft der Journalismus? Bösartig formuliert handelt es sich hier auch um einen Haufen von Populisten, weshalb es so wenig fundierte Beiträge zu Steuergesetzgebung und -vollzug gibt. Da darf auch einmal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (Monitor, 19.09.2019) geäußert werden, dass deutsche Unternehmen in Wirklichkeit gar keine 30 % Steuern bezahlen, weil ihre ausländischen Gewinne niedriger besteuert werden und dass eine Senkung der Unternehmenssteuern tatsächlich zulasten der Arbeitnehmer ginge, die die Steuerausfälle zugunsten der reichen Unternehmen bezahlen müssten.

Alles in Allem: gibt es einen maßvollen und halbwegs gerechten Steuervollzug? Ja, aber nicht in Deutschland. Und populär wäre er auch nicht. England will den Brexit, Deutschland den preußischen Steuer-Vollzug.

Ja, es ist Herbst geworden. Wir haben aber immer einen Mantel für Sie, wenn Ihnen von Seiten des Staates ein frostiger Wind entgegenbläst.

 

Ihr BPZ-Team

 

Inhaltsverzeichnis

  • Termine Oktober 2019
  • Termine November 2019
  • Zahlungsverzug: Höhe der Verzugszinsen
  • Firmenwagenbesteuerung: Zuzahlungen des Arbeitnehmers können geldwerten Vorteil mindern
  • Erste Tätigkeitsstätte nach dem Reisekostenrecht
  • Kindergeldanspruch: Abgrenzung zwischen mehraktiger Erstausbildung und Zweitausbildung
  • Anscheinsbeweis bei privater Pkw‑Nutzung
  • Beteiligung eines Einzelunternehmers an einer Kapitalgesellschaft als notwendiges Betriebsvermögen
  • Abfärbewirkung gewerblicher Beteiligungseinkünfte einer Personengesellschaft
  • Verdeckte Gewinnausschüttung durch Ausfall eines Darlehns einer GmbH gegenüber ihrem Gesellschafter
  • Mietvertrag zwischen Lebensgefährten steuerlich nicht anzuerkennen
  • Begründung von Eigenbedarfskündigungen
  • Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids durch Bescheid der Denkmalschutzbehörde
  • Vorsteuerabzug aus Rechnungen für Bewirtungsaufwendungen
  • Berücksichtigung von Gehaltsnachzahlungen beim Elterngeld
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